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SequenzeN – Menschen, Meinungen, Maschine
ein Film der 6AE über die Salzburger Nachrichten Juni 2011 (Lehrer: Anton Thiel)

beteiligte Schüler: Michael Dorn, Lea Fankhauser, Florian Kogler, Amona Peter, Felix Thalmayr; Moritz Scharf, Julia Schöler, Lukas Wagner, Laurenz Wizany.

Interview: Mag. Hermann Fröschl und Dr. Viktor Hermann

(Musgym) Es steht fast nichts mehr im Redaktionszimmer herum. Ist dies typisch für eine moderne Zeitung?

(Hermann) Der früher einmal aufgetauchte Traum von der papierlosen Zeitung, das heißt, kein Papier, bevor nicht gedruckt wird, der ist natürlich ein großer Irrtum gewesen, und wir sind ja hier in einem Raum, der momentan nicht benutzt wird. Wenn Sie meinen Schreibtisch sehen könnten, dann würden Sie merken, dass dort ziemlich viel herumliegt, dort herrscht das kreative Chaos, das ist weitverbreitet im Journalismus. Wir haben natürlich keine großen Schreibmaschinen mehr, sondern Computer, die werden zum Teil immer kleiner, das ist schon richtig, wird sind gerade dabei zu überlegen, ob wir nicht irgendwann einmal alle Kollegen mit Laptops ausstatten, die zwar immer noch ihre Tastatur im Büro haben und einen zusätzlichen großen Bildschirm, aber dass man sozusagen sein Gerät mit sich nehmen kann, und wenn ich im Café Bazar sitze und ein Interview mache, dann nehme ich das auf dem Computer auf, schreibe es dann dort auch ab und schicke es in die Redaktion oder komme mit dem Gerät hier herein. Also hier hat sich natürlich sehr sehr vieles geändert, wir haben z. B. früher Sekretärinnen gehabt, deren Hauptaufgabe es war, tatsächlich zu schreiben, es waren also Schreibkräfte, die haben nicht so wie jetzt eine Sekretärin organisatorische Aufgaben gehabt. Wir hatten mechanische Schreibmaschinen mit schweren Hebelwegen. Die konnte nur jemand, der dies gelernt hatte, bedienen, denn jeder andere, der im 2-Finger-Suchsystem schrieb, hat sich wesentlich schwerer getan. Mit der Einführung der moderneren Technologien, weg vom Bleisatz hin zum Fotosatz, hat man angefangen, in 4-Farb-Technologie zu produzieren, das war am Anfang eine unendlich mühsame und komplizierte Angelegenheit, wir haben dann plötzlich ganze Seiten ausgegeben, also nicht zusammenmontiert in der Setzerei, sondern fertige Seiten ausgegeben, wo nur noch die Bilder hineingeklebt wurden. Dann gab es plötzlich ganze Seiten inklusive Bilder, die auf Film ausgegeben wurden. Jetzt wird schon lang direkt auf die Druckplatte, das heißt dann Computer to Plate, belichtet und wahrscheinlich ist die Zukunft, dass man keine Druckplatte mehr braucht, sondern auf einen Druckzylinder direkt die Texte und Bilder ausgibt.

(Musgym) Ist das der Traum vom rasenden Reporter, wie etwa Egon Erwin Kisch, der immer am Puls des Geschehens war, immer dort anwesend, wo etwas passiert und eigentlich nicht die Knochenarbeit macht, die vielleicht ein Journalist in einem Büro machen muss, weil es ja noch viele andere Dinge in einer Redaktion zu tun gibt?

(Hermann) Es gibt da zwei Schulen: Die einen sagen natürlich, ein jeder muss alles können, dass heißt, ich geh raus, ich interviewe Menschen, ich beobachte Ereignisse, ich bin irgendwo dabei, ich schick die fertigen Texte in die Redaktion. Wenn kein Mensch hier irgendwas damit zu tun hätte, wäre das in manchen Situationen ideal. In anderen Denkschulen halten sie dies eher so: Es gibt Information die hereinkommt und hier sitzt jemand, der dies dann tatsächlich in die richtige Perspektive rückt, der die Bilder auswählt, die Texte korrigiert, redigiert, verändert, das Layout macht. Lange Zeit haben die Redakteure das Layout selbst gemacht. Dies ist so lang gut gegangen, solange wir sehr schlicht und einfach gearbeitet haben. Die Layouts waren in Kasten, die Bilder waren alle viereckig und es war eine relativ schlichte und langweilige Zeitung. Mittlerweile machen wir freigestellte Bilder, aufregende Layouts mit etwas mehr Sinn für das Design, für den Sinn für das Erscheinungsbild einer Seite. Dafür brauchen wir Layouter, man kann gar nicht alles von draußen machen. Es wird immer öfter so sein, dass man dank der technischen Hilfsmittel in der Lage ist, mit einem Laptop und einer elektronischer Kamera, mit einem Audioaufnahmegerät für den Internetauftritt oder für die iPad-Application gleich etwas zu erstellen, aber davon sind wir noch etwas entfernt. Die Zeitung ist technologisch im Umbruch. In einem ständigen Umbruch. In meinen 35 Jahren, die ich bei den "Salzburger Nachrichten" bin, hat sich alle paar Jahre irgendetwas verändert.

(Musgym) Ist es angenehm oder eine Bürde, wenn man die neuen Technologien lernen muss?

(Hermann) Das Leben wäre unendlich langweilig, wenn es dies nicht gäbe!

(Musgym) Ok, also positiv. Sie haben gerade vom Layout und vom Erscheinungsbild gesprochen und welche Rolle es denn auch allgemein und konkret gesehen auf die SN im Bewusstsein der ganzen Redaktion spielt?

(Hermann) Das Bild hat eine immer wichtigere Rolle, den Leser dazu zu bringen, längere Texte zu lesen und diese muss ich attraktiver aufbereiten. Ich kann mich an eine Zeit erinnern, da hat man darüber gestritten, ob ein Bild mindestens 7 cm hoch sein muss oder ob es auch 6 cm sein darf und heute sprechen wir manchmal von einem Bild pro Seite. Es war ein wüster Aufstand, als ein Chefredakteur verlangt hat, dass auf jeder Seite ein Bild sein muss. Darauf haben die meisten Journalisten mit dem Bedenken reagiert, dass dann ja soviel von seinem wertvollem Text verloren gehe. Mittlerweile wissen wir: Der Text braucht die Unterstützung des Bildes, der Text braucht die Unterstützung eines Layouts, das die Leute in die Seite hineinzieht, sodass die Leute überhaupt einmal mit dem Lesen anfangen, und dann geht erst die Verantwortung auf den Autor einer Geschichte über. Wenn jemand begonnen hat, meinen Kommentar, meine Analyse, meine Reportage zu lesen, dann ist es mein Geschäft, es so zu schreiben, dass die Leute dann auch dabei bleiben, möglichst bis zur letzten Seite. Man kann dies mittlerweile ganz gut überprüfen, da gibt es Instrumente dazu, wir wissen, dass die SN an jedem Tag länger gelesen wird als viele andere Zeitungen.

(Musgym) Wie schafft man es über ein ganzes Jahr gesehen ein annähernd gleiches Niveau zu halten? Es ist ja unglaublich schwierig, immer qualitativ hochwertige Bilder zu finden, gleich gute Texte zu schreiben ... Wie schafft man es, von welcher Vorgabe geht man dann da aus?

(Hermann) Es ist ständig ein Dialogprozess mit Kritik und Selbstkritik. Wir haben vor einigen Jahren eine tägliche Blattkritik eingeführt, in der ein Mitglied der Chefredaktion die Zeitung im Hinblick darauf liest, ob alle Kriterien, die wir als wichtig betrachten, eingehalten werden. Gibt es den richtigen Wechsel von langen und kurzen Geschichten? Gibt es die verschiedenen Stilmittel von Interview, Kommentar, Reportage, Meldung, Nachricht, Bericht usw.? Die Qualität der Bilder ist dadurch gegeben: Sind sie aktuell? Sind sie ungewöhnlich? Sind sie richtig platziert? Mit Bildern mit einer großen Datenmenge können wir sehr viel anfangen und dabei einen interessanten Ausschnitt wählen. Hier habe ich viele Möglichkeiten, das Niveau immer nach oben zu treiben. Was die Texte betrifft, wir reden immer miteinander, wir korrigieren uns gegenseitig. Sind es größere und heiklere Geschichten, werden sie immer von jemanden gegengelesen, weil eines klar ist: Wenn ich in der Geschwindigkeit einen Kommentar schreibe, dann kann es ja sein, dass ich mich dabei irgendwo verrenne, dass ich dabei irgendwo einen Aspekt zu sehr gewichte und einen anderen dabei übersehe. Dafür hat man dann immer wieder einen anderen Kollegen, der sagt, hier fehlt etwas, da hast du einen falschen Schluss gezogen. Also Qualität halten kann man nur, indem man sich selbst ständig in Frage stellt. Das geht dann ganz gut, man muss es aushalten, dass einem gesagt wird, was weniger gut war. Dies hält man um so leichter aus, je öfter man vorher gehört hat, dass man ganz gut war.

(Musgym) Wenn man selbst einen hohen Anspruch hat, aber gleichzeitig mit einer sehr unterschiedlichen Erwartungshaltung der Leser konfrontiert ist, kommt man doch als Autor in ein gewisses Dilemma. Wie genau ist das Bild von Ihrem durchschnittlichen Zeitungsleser? Manchmal möchte man sehr anspruchsvoll werden und gleichzeitig erreicht man dann den Leser nicht, weil er es nicht versteht und einfach an seinem Interesse vorbeigeht. Wie schafft man sich ein gutes Feedback, dass trotz eines hohen Niveaus oder einer ungewöhnlicher Gestaltung die Leserschaft mitzieht?

(Hermann) Mein erster Lehrmeister in dieser Zeitung hat mir einmal den Rat gegeben: Schreiben Sie so, dass der Bauer in Wals mit acht Klassen Volksschule, also wenig Formalbildung aber großem Interesse, die Berichte versteht. Ich kann schon darauf achten, dass ich die Sprache klar, einfach und deutlich halte, ohne dass ich deswegen primitiv werde, das ist einmal so eine wichtige Regel. Wenn ich Sätze mit 50 Wörtern schreibe, dann brauche ich mich nicht zu wundern, wenn sie keiner liest. Wir wissen andererseits sehr wohl, wer unsere Leser sind, dafür gibt es genaue Studien über die Zusammensetzung der Leserschaft, welche Ausbildung sie hat, und und und. Die Sozialstruktur der Leserschaft ist gut erforscht. Ein bisschen etwas anderes ist der Dialog mit den Lesern, da sich ja nicht immer ein Querschnitt der Leser mit seiner Meinung meldet. Hier melden sich eher die, die Zeit haben. Man findet eher selten jemanden zischen 35 und 45, der schreibt oder anruft. Diese Leute sind im Beruf stark eingespannt. Es ist eher ein älteres Publikum, das sich meldet, und hier muss man wissen, wenn ich mit gewissen Lesern zu kommunizieren habe, welche Themen er nicht mag, der hat gewisse Vorlieben in der Politik, der ist Feind oder Freund dieser oder jener Verschwörungstheorie. Der Dialog mit den Lesern ist eine eher schwierigere Angelegenheit. Mir sind die am liebsten, die anrufen und sagen: Herr Redakteur, ich bin überhaupt nicht einverstanden mit dem, was Sie schreiben! Der hat es gelesen, er hat es verstanden, er hat sich Gedanken darüber gemacht, der stimmt mit mir nicht überein, aber er will mit mir darüber diskutieren, und damit habe ich eigentlich erreicht, was ich wollte, eine Beziehung zum Leser hergestellt. Jemand, der anruft und droht, die Zeitung abzubestellen, er wird sie nicht abbestellen, weil er sich mit dem auseinandersetzen will.

(Musgym) Sie haben haben vorher die Internet-Medien angesprochen, wie wird dies bei den "Salzburger Nachrichten" gehandhabt?

(Fröschl) Ja Internet, neue Medien sind für ein klassisches Medienhaus wie das unsere von immer größerer Bedeutung. Die etablierten Medien tun sich relativ schwer, diese Medien zu verstehen. Erstens war es ein relativ langer Prozess, in dem man vom anfänglichen Ignorieren über Bekämpfen bis hin zur Erkenntnis “es ist wichtig” gegangen ist. Wenn wir die sozialen Medien im Internet (z. B. Facebook) hernehmen, sind deren Mechanismen schwer zu verstehen. Das Problem, das wir alle haben, ist, dass wir im Grunde noch immer ein gutes analoges Produkt erzeugen, das Geld verdient, von dem wir aber sehen, dass es in seiner Wachstumskurve am Ende steht. Es bedarf eines immer größeren Aufwands, um substanzielle Zuwächse zu erzielen, und gleichzeitig bringen die quantitativ erfolgreichen neuen Medien fast keine Kohle herein. Und keiner hat ein Geschäftsmodell aus der klassischen Medienwelt, das funktioniert. Legionen von mehr oder weniger wichtigen Medienmenschen sind seit der Jahrtausendwende daran irgendwie glorios gescheitert. Dies ist sozusagen das schwierige Umfeld. Dies macht aber unsere Branche schon so spannend, weil wir immer noch ein etabliertes Produkt haben, welches funktioniert, aber von dem die meisten wissen, dass es langfristig nur noch ein Standbein sein kann. Diese neuen digitalen Bereiche tun sich deswegen auch so schwer und können sich nicht richtig entwickeln, weil man sie ja nicht laufen lässt. Man macht eben immer alles nach den Kriterien der Printmedien. Man lässt das Umfeld sich viel zu wenig freigeistig entwickeln. Es ist viel leichter, wenn heute vier oder fünf junge Leute sagen: “Komm, jetzt machen wir was, hurra, jetzt geht's los!” Aber in einem Haus wie den "Salzburger Nachrichten" ist es weitaus schwieriger, weil man einfach viel mehr bedenken muss, das ganze Rundherum und die Verflechtungen der einzelnen Teilbereiche. Das macht die Medienbranche so spannend.

(Musgym) Das Verhältnis von Kapital, Erscheinungsbild und Inhalt. Wird dies jetzt wieder bedeutsamer in den Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen?

(Fröschl) Im optischen Auftritt steckt natürlich sehr viel Kapital dahinter oder ist kapitalabhängig. Wie frei kann sich so etwas überhaupt entwickeln? Oder wird es nicht von Vornherein so eingebremst, dass es in überschaubaren Bahnen bleibt. Die Gestaltung der "Salzburger Nachrichten" hat gemessen an anderen älteren Printmedien relativ wenig Tradition. Die Gestaltung der Zeitung war immer zweitrangig. Es ist auch gut so, sage ich jetzt einmal. Es ist immer darum gegangen, dass interessante Dinge drinstehen. Wir haben natürlich mittlerweile eine geänderte Situation, weil wir wissen, nach welchen Kriterien Menschen lesen. Wir wissen mittlerweile die Mechanismen, nach denen so etwas funktioniert, und entsprechend ist es natürlich notwendig, in Optik zu investieren, das heißt, wie illustriere ich einen Text, und dies geht nicht nur mit Bildern. Die Frage der Infografik ist unglaublich wichtig in unserer Branche geworden. Wenn letztendlich für das ganze Haus drei Spezialisten das Layout und die Infografik machen, dann lacht uns da im Grunde die ganze Welt der Medienbranche aus. Was wir aber mit diesen drei Leuten an Output herausbringen, ist schon beachtlich. Es ist aber nicht der optische Schnickschnack, der entscheidend ist, sondern die Funktionalität. Es geht darum, dass zwischen Form und Inhalt eine Symbiose besteht und die ist durch relativ schlichte Grundregeln sehr leicht herstellbar, eine davon ist, dass Titel und Bild harmonieren müssen, dass dies eine Einheit ergeben muss, auch von der Botschaft her. Es ist letztendlich der Schlüssel, wie man Leute in eine Seite hineinbringt und es ist natürlich mit bestimmten Formen der Visualisierung sehr gut machbar. Wir sind gewillt, noch stärker in diese Richtung zu gehen, die Optik in einer Tradition von einer Qualitätszeitung zu entwickeln. Es sind teilweise illustrierte und gezeichnete Formen, aber auch die Schrift oder die Schriftgrößen als Stilmittel der Optik. Wird der Kampf um die Ressourcen immer heftiger, wird er auf der der grafischen Seite aber genauso wie auf der redaktionellen Seite bemerkbar. Die Überlebensfrage wird sein, die journalistische Qualität der Zeitung auszubauen. Dies ist eigentlich das Ringen, das eingesetzt hat, weil wir ja wissen, dass viele Medien, die ja die Qualität sehr hochgehalten haben, mittlerweile in den journalistischen Ressourcen massiv eingespart haben.

(Musgym) Sie haben die Bedeutung der Schrift und der Schriftgestaltung erwähnt. Seit Oktober 2008 gibt es einen sogenannten Relaunch des Erscheinungsbilds der "Salzburger Nachrichten", für den der international tätige Mediendesigner Mario Garcia verantwortlich zeichnet. In seinem Redesign hat Garcia versucht, die Seiten luftiger erscheinen zu lassen, indem er mehr Weißraum im Seitenspiegel eingeplant hat. Kann es sich eine Tageszeitung, die ja ohnehin viele Tagesmeldungen aus Platzgründen nicht bringen kann, leisten, Leerraum zu verkaufen?

(Hermann) Da gibt es zwei Schulen: Die eine ist die Bildzeitung. Die sagt, eine Zeitung muss kompakt sein. Wenn die einen Zweispalter von einer vorgegebenen Höhe haben und es fehlt eine Zeile, dann vergrößern sie die Schrift, damit die Spalte voll wird und möglichst wenig Platz dazwischen ist. Die andere Schule sagt, das Auge brauche Zeit zum Ruhen, zum Atmen und das Wesentliche wird ja noch dadurch hervorgehoben, dass ich einen weiß-grauen Rand herum habe. Wir sind eher diesen Weg gegangen. Hin und wieder fehlt mir zu meinem Leidwesen genau die Extrazeile, die wir jetzt zusätzlich Platz haben zwischen zwei Artikel, die fehlt mir meistens, weil ich noch irgendwo etwas unterbringen will. Dann muss ich mich umso mehr anstrengen, um denselben Inhalt auf weniger Platz darzustellen. Dies ist unendlich wichtig. Da geht es darum, dass die Gestaltung der Diener dessen ist, was ich mitteilen will. Also, wenn wir eine schöne Seite machen, dann sollte es dazu dienen, den Inhalt natürlich möglichst erstklassig zu zeigen. In vielen Magazinen hat man manchmal das Gefühl, da sind lustige Leute, die machen ein klasses Layout und das wird dann von irgendwem mit irgendwelchen Texten gefüllt. Das wäre ein tödlicher Fehler einer Qualitätszeitung, da geht es eher darum, dass man die erstklassigen Texte so attraktiv darbietet, dass kein Mensch daran vorbeikommen kann, das auch zu lesen.

(Musgym) Uns ist aufgefallen, dass vor allem die Wochenendbeilagen der letzen Zeit einen eigenen Weg gehen. Sehr anspruchsvoll, mit auffällig guten Grafiken, sehr kompakt gestaltet. Muss man da nicht aufpassen, dass der wöchentliche Beilagenteil mit der Zeit in der Wahrnehmung der Leser vom Rest des Blattes nicht loslöst? Oder ist das als eine Vorreiterrolle zu verstehen, als Vorbild für die täglich erscheinende Zeitung, die aus den Gründen der Vielfältigkeit der Inhalte konservativer sein muss?

(Hermann) Die Jungs von der Wochenendbeilage haben einfach eine ganze Woche Zeit dafür. Sie können Monate vorausplanen und sich wirklich intensiv damit auseinandersetzen. In der Tageszeitung halten wir uns auch deswegen gern an gewisse vorgegebene Formate, weil es eben sehr schnell gehen muss und ich habe heute z. B. das Problem: Ich mache eine Seite, von der hoffe ich, dass ich sie nicht um 18.00 Uhr total umschmeißen muss, weil ein Ereignis im Jemen zu erwarten ist. Das zwingt mich, einen anderen Seitenaufmacher zu machen. Aber jetzt muss die ursprüngliche Seite schön ausschauen, weil es ja sein kann, dass dieses erwartete Ereignis nicht eintritt. Die Wochenendjungs sagen vier Wochen vorher, am Wochenende möchten wir gern das Thema so darstellen und da lassen wir uns wirklich was einfallen. Da kann man auch mal zwei Stunden sitzen und darüber brüten, ob das Bild schön ist oder das Bild, mache ich einen Freisteller oder mache ich was schwarz, ganz bewusst negativ. Das kann irgendeine Tageszeitungsproduktion nicht tun. Auf der anderen Seite sind wir natürlich froh, dass wir auch ein Segment haben, wo wir kreativ sind. Es sind auch zwei unterschiedliche Funktionen. Du musst die Tageszeitung in der Früh lesen, es muss relativ schnell gehen, es muss kompakt gehen und du liest die Wochenendbeilage am Samstag am Nachmittag oder am Sonntag am Abend auf dem Sofa und hast einfach eine ganz andere Ausgangsposition und die hat natürlich einen Einfluss auf die Optik.

(Fröschl) Jetzt ist der generelle Trend so, dass wahrscheinlich in zehn Jahren die Tageszeitungen, die es gibt, eher Magazine sein werden und der Trend ist ja relativ klar, es geht in die Richtung, dass für die Tageszeitung ja nicht mehr die schnelle Tagesmeldung zur Verfügung steht, denn die steht längst im Internet und damit muss sich die Tageszeitung neue Felder erobern. Das nächste Feld ist die Analyse, Hintergrundinformation, Kommentar. Und wenn es nicht nur um Berichterstattung geht, ist es ja hintergründig und analytisch. Automatisch geht damit eine andere Form der Optik einher, das ist sozusagen keine Häppchenjagd mehr, sondern geht ins Großflächige und damit auch in eine optisch anspruchsvollere Form. In der Hinsicht stimmt es, dass die Wochenendbeilage ein Vorreiterprodukt ist. Die Tageszeitung wird in Zukunft magazinartig gestaltete Strecken anbieten müssen. Sie wird immer Nachrichtenstrecken haben, die schnell zu konsumieren sind, aber sie wird magazinähnlicher werden. Damit wird sie natürlich auch von der Optik eher in die Richtung gehen, dass sie noch mehr Weißraum hat, Weißraum in einer dynamischen Form.

(Musgym) Also ein serifenloser Lauftext wäre auch vorstellbar? 

(Hermann) Nein, da gibt es ja ganz strenge Regeln, die aus Erfahrung gewachsen sind. Das heißt, serifenlose Schrift ist Boulevard, das kann ich in einem Buch, einer Werbung oder für ein Plakat verwenden, aber nicht in einer Zeitung. Das hängt sehr stark damit zusammen, welche Gefühle eine Grundschrift im Leser erweckt. Wir können nur sehr schwer nachvollziehen, warum das so ist, aber es ist tatsächlich so, dass Serifenschriften im Leser angenehme Gefühle erwecken, wenn sie in der richtige Proportionalität sind. Wir haben ja eine Zeitlang eine Schrift ausprobiert, die ist nicht gut angekommen bei den Lesern. Wir haben es mit Serifen im Titel probiert, und jetzt sind wir bei einer serifenlosen Schrift angelangt, die ist stärker, die ist kräftiger, die ist lauter. Wenn der Titel aber mit seriöser Gestaltung zusammentrifft, dann ist das immer noch seriös. Wäre es umgekehrt, dann würde der Text zu unruhig werden ohne die Serifen. Das ist ja lustig, da glaubt man, diese Hakerl und Futzerl, die am Buchstaben dranhängen, die könnten eher dafür sorgen, dass es unruhig wird. In Wirklichkeit ist das noch die alte Verbindung die man in der Schreibschrift hatte. Die Serien sind also abgeschnittene Verbindungen zum nächsten Buchstaben. Und wahrscheinlich hängt das damit zusammen, dass das ein angenehmeres Gefühl erzeugt.

(Musgym) Haben sie da eine eigene Schrift für die Zeitung?

(Fröschl) Scotch. Die ist ja auch aus der Times Familie, eine Serifenschrift.

(Musgym) Sollte man nicht meinen, dass die Jugendlichen nicht eher auf die Visualisierung von Informationen anspringen als auf den Retrostil mancher österreichen Tageszeitungen?

(Fröschl) Sollten sie. Das Entscheidende ist nicht, ob man eine gute Grafik und Designlinie hat oder nicht. Das wird nicht über das Schicksal einer Zeitung entscheiden. Das wird dazu helfen, eine Bindung zum Leser herzustellen beziehungsweise ein optisches Wohlgefühl, und, wenn es gut gemacht ist, eine praktische Leseführung, für die, die es zu nutzten wissen, und dafür auch dankbar sein werden. Wir haben natürlich genau den umgekehrten Konflikt. Es gibt einfach gewisse, vor allem thematische Unterschiede, wie ein 50 bis 55 Jähriger die Themen anschaut und ein 20 bis 25 Jähriger.  Da brauche wir uns überhaupt nichts vormachen. Und wir werden immer in eine Schere hineinlaufen,  dass wir zwischen diesen zwei Ebenen in einen Konflikt hineingeraten.  Und wenn du 60.000 auf der einen Seite hast und 10.000 auf der anderen, dann ist die Entscheidung recht klar. Die Tageszeitung ist einfach ein älteres Produkt, nicht nur weil es schon lange gibt, sondern weil es für einen Menschen, der die Formen der Bequemlichkeit  erfahren und mitbekommen hat, die einem als junger Mensch völlig egal sind. Und einer der wesentlichen Gründe, warum wir Printmenschen immer noch an die Zukunft glauben, ist, dass es in Zukunft auch immer ältere Menschen geben wird. Und dass einer, mit 20/25 Jahren, der mit dem Internet aufwächst, möglicherweise wenn er 40 ist und eine Familie hat, es praktischer findet, dass er sich so ein Papierding einsteckt und es irgendwo schnell liest, anstatt dass er ein Gerät einschaltet. Wobei das letztendlich auch egal ist, weil wir uns denken, dass du auf der Ebene der Digitalisierung einfach auch Geräte hast,  die letztendlich nichts anderes sind als ein Printprodukt und wir uns irgendwie den Druck in Zukunft sparen. Aber am Ende des Tages wird darüber entschieden, ob jemand lässige Texte, lässige Seiten und gescheites Wissen liefert. Und da ist es uns dann relativ egal, auf welcher Plattform das passiert.

(Musgym) Bei der jetzigen demografischen Entwicklung: Wird die Schriftgröße des Textkörpers immer größer werden müssen?

(Hermann) Ja. Man hat das sehr drastisch gesehen an der Kronen Zeitung. Mit dem zunehmenden Alter des Hans Dichands ist die Grundschrift ins Unermessliche gewachsen, wie der gesagt hat, "Ich kann das nicht mehr lesen, macht das größer!" Tatsache ist, dass die Grundschrift nur zu dem Tablett der Annehmlichkeiten des Erscheinungsbildes beiträgt. Das ist leichter Einstieg, Erklärung, Anreiz, Aufbrechen von einer großen Geschichte, Daten und Faktenkosten, eine Grafik dazu, zwei Bilder, ein Porträt. Früher hat man bei uns Geschichten über eine ganze Seite geschrieben. Da war ein Bild drinnen und fertig. Und die Leute haben es gelesen. Heute kannst du so etwas nicht mehr machen, heute musst du dieselbe Seite mit wesentlich weniger Text, weil die Schrift größer geworden ist, mit mehr Bildern, mit zusätzlichen Elementen auflockern, damit die Leute das lesen. Ich bin ja ein Verfechter der These, dass es keinen Text gibt, den man nicht um 30 Prozent kürzen könnte, ohne dass irgend etwas Wichtiges verloren geht. Das hat uns dazu gezwungen, knapper zu formulieren, damit man das alles trotzdem unterbringt und es geht keine Information verloren. Ich biete sie nur an, eine Grafik, ein Bild sagt manchmal wirklich mehr als tausend Worte und hilft mir dabei, die Basisinformation anders darzustellen als den Inhalt, den ich vermitteln will, nämlich den Zusammenhang, die Analyse, den Hintergrund, den Kommentar.

(Musgym) Wie geht es denn Ihnen dabei, wenn Sie eine Ausgabe von vor 50 Jahren anschauen?

(Hermann) Da staune ich nur, was die Leute alles gelesen haben, denn da waren fast gar keine Bilder dabei. Wenn ich eine Ausgabe aus dem Jahre 1970 Jahre lese, werde ich fast wehmütig, wenn ich mir denke, mein Gott, wie wenig haben wir uns damals geschert, was den Leser interessiert oder nicht. Und teilweise ist es mir unendlich peinlich, wenn ich einen Leitartikel lese, den ich vor 30 oder 35 Jahren geschrieben habe, da denk ich mir, mein lieber Schwan, da bist du aber froh, dass du noch etwas dazugelernt hast.

Danke für das Gespräch!

das Video (mp4)
Projektbeschreibung und Unterlagen zur Vorbereitung
Interview: Chefredakteur Dr. Manfred Perterer
Interview: Dr. Viktor Hermann (Ressortleiter Aussenpolitik) und Mag. Hermann Fröschl (Chef vom Dienst)
Interview: Dr. Martin Stricker (Außenpolitik und Betreuer der Schülergruppe)

Journalismus: Ein ständiger Dialogprozess zwischen Kritik und Selbstkritik

Bilder von der Druckmaschine (inkl. Repro und Expedit)
"Lesen Sie die SN?" – Straßeninterview
Die Schülerseite am 8. Juni 2011 in den Salzburger Nachrichten (pdf)
Ausstellungsdokumentation